Gastartikel von Frederik Gigler von https://frederik-gigler.de/
Bild kostenlos von Adobestock: Von oscargutzo
EINE RÜCKKEHR ZUM GANZEN MENSCHEN
Es gibt Momente im Leben, in denen wir nicht scheitern – aber auch nicht mehr ganz lebendig sind. Wir funktionieren, passen uns an, streben nach Licht – und spüren dennoch, dass etwas fehlt. Nicht spektakulär. Nicht laut. Sondern still. Wie ein leises: „Da war doch mal mehr.“ Diese Momente sind keine Fehler. Sie sind Schwellen. Und oft beginnt an diesen Schwellen der eigentliche Weg – nämlich dort, wo Licht und Schatten sich begegnen.
Viele glauben, Licht und Schatten seien Gegensätze. Aber sie bedingen einander. Unsere Freude, Klarheit und Stärke existieren nicht ohne Müdigkeit, Zweifel und Angst. Der Schatten ist kein Feind – sondern jener Teil in uns, den wir zu lange ausgeklammert haben. Nicht, weil er falsch ist, sondern weil er nicht in unser Idealbild passt.
„Der Schatten ist alles, was du nicht sein willst – und doch bist.“ C. G. Jung
Selbstwahrnehmung und der stille Teil in uns
Lange verstand ich diesen Satz nur theoretisch. Erst in einer Lebensphase, in der nichts mehr funktionierte, begann ich ihn zu fühlen. Ich war nicht depressiv – aber leer. Und in dieser Leere traf ich nicht auf Dunkelheit, sondern auf einen stillen Teil in mir, der nur eines wollte: gesehen werden.
Viele von uns flüchten ins Licht. Wir suchen Heilung, Frequenz, Transformation. Aber nicht selten ist diese Suche eine Form der Vermeidung. Wir wollen nicht fühlen, was drückt. Licht ohne Schatten wird grell – es blendet. Und es entfernt uns von uns selbst.
Selbstwahrnehmung und das Sein
Ich erinnere mich an einen Moment stiller Rückkehr. Kein Ziel, kein Tun – nur Sein. Und in diesem Zustand fiel ich in einen inneren Raum, der nicht leer war, sondern frei. Frei von Rollen, Erwartungen, Geschichten. Kein Erwachen. Kein Höhepunkt. Nur Ich. Und das genügte.
In den letzten Monaten haben mir viele Menschen von ähnlichen Erfahrungen berichtet. Eine Frau schrieb: „Ich dachte, ich müsste mich verändern, um wieder fühlen zu können. Aber ich musste einfach nur still werden.“ Ein anderer: „Zum ersten Mal konnte ich weinen – nicht aus Schmerz, sondern weil ich mich selbst gespürt habe.“ Solche Rückmeldungen zeigen mir, dass dieser Raum kein Ziel ist, sondern ein Ort, an den wir zurückkehren – wenn wir bereit sind, uns selbst zu begegnen.
Selbstwahrnehmung und die Leere
Ich nenne diesen Ort die Leere. Nicht weil er kalt ist, sondern weil er frei ist von Urteil. In der Leere beginnt das Neue. Dort hören wir wieder. Dort atmen wir wieder. Nicht perfekt – aber ganz. Vielleicht kehren wir am Ende nicht zu einer „höheren Version“ von uns zurück, sondern einfach zu einem Menschen, der sich zuhören kann. Der bleiben kann, auch wenn es eng wird. Und vielleicht ist das die tiefste Form von Heilung.
⸻
Über den Autor:
Frederik Gigler begleitet Menschen auf ihrem inneren Weg.
Er ist ausgebildet in systemischem Coaching, NLP und achtsamkeitsbasierter Prozessarbeit. Seine Leidenschaft gilt den Übergängen des Menschseins – dort, wo Veränderung nicht durch Selbstoptimierung, sondern durch echtes Innehalten und Hinwenden geschieht. Er schafft Räume, in denen Menschen sich selbst wieder näherkommen – jenseits von Konzepten, mitten im Leben. Hier geht es zu seiner Webseite https://frederik-gigler.de/